Bild und Kultur

Ja gibt es denn überhaupt ein Bild, dessen Inhalt oder Gehalt nicht irgendwie auch symbolisch ist?
Der Kulturphilosoph Ernst Cassirer (1874-1945) war der Ansicht, dass jede Erkenntnis eine gedeutete ist und unsere Wahrnehmung nicht kalt technisch (abbildend wie eine camera obscura). Wahrnehmung kann gar nicht anders, als nach Sinn bzw. Bedeutung bzw. Motiven zu suchen. Und dieser "Sinn" ist kulturell geprägt und mithin symbolisch:
Statt vom Menschen zu sagen, er besitze einen „der Bilder bedürftigen Verstand“ (Kant), sollten wir eher sagen, sein Verstand bedürfe der Symbole. Menschliche Erkenntnis ist wesentlich symbolische Erkenntnis. Dieses Merkmal kennzeichnet ihre Stärke und ihre Grenzen. Und für das symbolische Denken ist es unterlässlich, einen deutlichen Unterschied zwischen „wirklich“ und „möglich“, zwischen aktuellen und idealen Dingen zu machen. Ein Symbol besitzt keine aktuale Existenz als Teil der physikalischen Welt; es hat eine „Bedeutung“. (Cassirer, 1944/2007, S. 93)
Das von anonym-kreativen Personen umgestaltete Wahlplakat zeigt die CDU (überklebt)-Kanzlerin als Landesmutter in der Pose der warmherzigen, engagierten Politikerin. Was ihr nicht jedermann abnimmt oder von ihr wünscht. Die sich an den Fingerspitzen berührenden Hände werden zu eine Betpose (mit Kerze) umstilisiert, und die Aussage zurückgewendet: Willst du unsre Kanzlerin sein, so sei nicht Kanzlerin für Deutschland, sondern handle für uns in unserem Sinne. Und schon sind wir wieder mitten in der Bilderwelt einer Grosstadt und müssten ein unbearbeitetes Plakat heranziehen, um die ursprüngliche Bildbotschaft wahrnehmen zu können.
  • Cassirer, E. (2007) Versuch über den Menschen. Hamburg: Felix Meiner.