Bild und Kontext

Mit einem Schritt zurück kann man die vorherige Abbildung als Teil eines Wirtshausschildes erkennen. Das Café „Jenseits“ am Heinrichplatz in Berlin-Kreuzberg ist mittlerweile Geschichte. Erinnerungen und Bilder bleiben. Der gesprayte Einstein im Hip-Hop-Outfit, der ins Diesseits aus dem Jenseits grüsste, wird als Bildnis wohl verschwinden. Als Zeitzeichen und als Zeitzeuge dienen uns viele Bilder, die zu verstehen wohl nur aus dem soziokulturellen, historischen und medialen Kontext wirklich gelingen mag.
Medialer Hintergrund? Walter Benjamin hat vom Verlust der Aura gesprochen, der dann eintrat, als Bilder mechanisch reproduzierbar wurden. Plötzlich konnte jeder der Madonna an die Nase greifen, ihre Aura der Unnahbarkeit und des Wunderbaren ging verloren. Marcel Duchamp malte einer Postkarte der Monalisa einen Schnurrbart auf. Jetzt war auch diese Ikone der Kunst profaniert. In den Collagen beispielsweise eines Max Erst wurden Bilder fragmentiert und neu zusammengesetz. Das Prinzip der Dekonstruktion entstand und wurde postmodern ausgedeutet in der Architektur und wirkt darüber hinaus.
Walter Benjamin etablierte den Begriff des dialektischen Bildes. Bilder erkennen heisst, sie aus dem historischen Kontext herauslösen und mit Distanz zu verstehen suchen, gleichsam ihre Hermeneutik (aber eben dialektisch) prozessual zu vollziehen, eine Auffassung, der auch Aby Warburg nahestand. Niemand wird bestreiten wollen, dass Fotografien etwa der in den fünfzigerjahren entstehenden „Illustrierten“ heute recht „alt“ aussehen, den Groove eben dieser Jahre verkörpern und nachvollziehen lassen. Und so geht das weiter.
  • Zumbusch, C. (2004) Wissenschaft in Bildern. Symbol und dialektisches Bild in Aby Warburgs Mnemosyne-Atlas und Walter Benjamins Passagen- Werk. Berlin: Akademie-Verlag.